Kommunikation „24/7“ – 2
ie digitale Revolution wird, geht es nach den Ideen und Visionen von Prof. Dr. Fritz Breithaupt, auch entscheidende Segmente der Bildung bald vereinnahmt haben.
Es war eine gelungene Agenda am zweiten Tag der „Zukunft Personal“, der Fachmesse für Personalmanagement in Köln im Oktober 2016.
Das Messemotto lautete Arbeiten 4.0, das große Thema hieß Digitalisierung.
Sie erfordert von Unternehmen, Beschäftigten, Bildungsinstituten und allen an den jeweiligen Prozessen Beteiligten eine große Veränderungsbereitschaft.
Dazu hatte die Messe zwei herausragende Redner eingeladen, die sich beide schon sehr lange mit der Digitalisierung im Bildungssektor beschäftigen.
Maschinen-Dialog
rof. Dr. Fritz Breithaupt hat die These aufgestellt, dass künftig maßgeschneiderte Computerprogramme zu persönlichen Lehrern entwickelt werden; ja, oder sich selbst dazu entwickeln. Wenn sie nämlich selbst lernen, zu lernen.
In etwa 20 Jahren, so der Leiter des Departement of German Studies an der Indiana University Bloomington (USA), werde herkömmlicher Unterricht durch das Gespräch mit einem virtuellen Lehrer ersetzt. Der Schüler spricht dann nur noch mit der Maschine. Und die Maschine mit dem Schüler. Oder mit dem Studenten, oder auch später in der Weiterbildung mit dem Erwachsenen.
Prof. Dr. Breithaupt hat auf der Messe seine „Talking Method“ vorgestellt. Demnach können wir uns diesen persönlichen Lehrer oder Trainer dann in etwa so vorstellen, wie Siri bei den Maschinen mit dem Apfel. Der lernende Mensch tritt dann mit der lehrenden Stimme der Maschine in Kontakt und bildet sich im Dialog weiter.
Der Dialog, das Sprechen sei der entscheidende Weg der künftigen Bildung.
Die „Talking Method“ beruht auf der Auffassung, dass der Mensch durch das eigene Sprechen am besten und am schnellsten lernt. Als Beweis dafür gilt für Breithaupt der Entdecker Trojas, Heinrich Schliemann. Der Wissenschaftler hat viele Sprachen fließend gesprochen. Er soll dafür einfach mit Native Speakern gesprochen haben. Im Dialog beherrschte er die Sprachen nach etwa sechs bis 12 Wochen fließend. Und diesen Ansatz will nun das digitale Lernen nutzen. Lernen durch Reden. Und dies nicht nur bei Sprachen, sondern auch bei Naturwissenschaften.
Dieser Weg sei der effizienteste Lernweg für die Zukunft, so Prof. Dr Breithaupt.
Und ja, besser wäre, wenn jedem Lernenden ein lehrender Mensch gegenübersäße. Das sei aber eben nun mal nicht zu realisieren, also müsse man mit der Maschine vorliebnehmen.
Zudem soll der digitale Lehrer den Menschen ein Leben lang begleiten. Er speichert, was der lernende Mensch früher schon mal besprochen hat und kann ihn in einem anderen Kontext später darauf verweisen.
Alles vor dem Hintergrund, dass immer mehr Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit immer mehr Zeit in digitalen Welten verbringen.
ie Gegenrede kam von Prof. Dr. Ralf Lankau, Professor für Mediengestaltung und Medientheorie und Kunstpädagoge.
Effizienz sei nicht Kern oder Mittelpunkt pädagogischer Arbeit, daher könnten Maschinen nicht Lehrer ersetzen. Die Sinne seien entscheidend, Wahrnehmung und Reaktion und daher müsste die Gesellschaft darauf achten, dass gerade in den Schulen die Lehrkräfte nicht von Maschinen ersetzt werden dürften.
Prof. Lankau geht es um Prägung, um Bindungsaufbau und um das Erlernen eines sozialen Gefüges.
Dies sei mit „Lehr-Maschinen“ schlicht nicht möglich.
So nennt er denn auch die social-media-Plattformen Vereinzelungsmedien.
Prof. Lankau wollte sich richtig verstanden wissen. Ihm ginge es nicht darum, die Digitalisierung grundsätzlich zu verteufeln. Natürlich habe sie ihre Berechtigung, ihre positiven Seiten und ihren Nutzen. Allerdings vermisse er Grenzen und er sei der Überzeugung, dass die Gesellschaft gerade den Kindern den Umgang mit den digitalen Welten beibringen müsse.
tattdessen geben wir uns den großen digitalen Wirtschaftsbossen und deren Interessen hin, meinte Lankau. Er findet sich vielfach bestätigt, unter anderem von Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments.
Im Klappentext des Buches „Technologischer Totalitarismus“ heißt es:
„Die Digitalisierung aller Lebensbereiche verändert unsere Gesellschaften ähnlich radikal wie die industrielle Revolution vor 200 Jahren: Internet-Konzerne sichern sich die Kontrolle über ganze Branchen; Spähprogramme stellen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung infrage. Und wenn Google-Chef Eric Schmidt schreibt, das Unternehmen wisse, wo wir sind, und könne mehr oder weniger sagen, was wir gerade denken, werden endgültig die düstersten Voraussagen der Science-Fiction Realität. Angesichts dieser Herausforderung ergriff Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, im Februar 2014 mit einem kämpferischen Appell in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung das Wort.“
Quelle: Technologischer Totalitarismus, Hrsg. Frank Schirrmacher, Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
Da hieß es:
„Internetkonzerne und Geheimdienste wollen den determinierten Menschen. Wenn wir weiter frei sein wollen, müssen wir uns wehren und unsere Politik ändern.“
Quelle: Vortrag Prof. Ralf Lankau, Messe Zukunft Personal, Köln 2016
Hier sind big data, Datenschutz, Daten sammeln und IT-Wirtschafts-Lobby nur einige Begriffe, um die es in der gesellschaftlichen Debatte geht.
Mir geht es im Kern ja um Kommunikation. Und hier nun im Detail um die Frage, wieviel Digitalisierung denn wohl unser Bildungssystem verträgt.