Widerstandskraft wie ein Baum in der kargen Felswand
Resilienz - die große Unbekannte oder ein guter Freund
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ie gute Nachricht vorweg:

Resilienz kann jeder Mensch lernen oder zumindest deutlich stärken, natürlich abhängig von seinen individuellen Eigenschaften.

Manche Menschen scheinen in Krisensituationen über unsichtbare Kräfte zu verfügen.
Bei Stress laufen sie zur Hochform auf, ja, man hat den Eindruck, sie lieben Stress, Konflikte und Schwierigkeiten. Ähnlich wie der Baum in der Felswand, der allen Widrigkeiten trotzt.
Anderen hingegen reicht der Umzug in ein anderes Büro, ein anstehendes Veränderungsvorhaben oder ein unbedachtes Wort, um aus dem Gleichgewicht zu geraten. Nachzugrübeln. Den Spaß an der Arbeit oder im Leben zu verlieren. Sich unter permanentem Druck zu fühlen. Am eigenen Selbstwert zu zweifeln. Und im schlimmsten Fall werden sie schließlich krank.

Warum sind manche Menschen scheinbar stabiler als andere?

Sie sind widerstandsfähiger als andere, resilienter.
Resistent gegen blöde Bemerkungen, Veränderungen, Umstrukturierungen, Trennungen oder eine zu hohe Arbeitslast.
Gelassen gehen sie eine Sache nach der anderen an.
Sie wenden Zeitmanagement-Strategien an und wissen, dass Stress sowieso nichts bringt. Lassen sich ihre gute Laune auch nicht durch einen cholerischen Chef vermiesen.
Aber wie geht das?
Warum können die das und ich nicht, fragen Sie sich vielleicht.

Gucken wir erstmal, was Resilienz genau bedeutet.

Es kommt von resilio (abprallen, zurückspringen) aus der Physik. Es bezeichnet hochelastische Werkstoffe, die nach jeder Verformung ihre ursprüngliche Form wieder annehmen.
Verhaltensforscher haben den Begriff adaptiert: Resilient ist, wer die seelisch-emotionale Widerstandskraft aufbringt, sich von Stress, Krisen und Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lässt, sondern das Beste aus dem Unglück macht, vielleicht sogar über sich selbst hinauswächst.

Statt hilflos das eigene Leben zu betrachten, bezeichnet Resilienz die Kraft, weiter zu machen und sich den Herausforderungen zu stellen, ohne dabei seelisch zu leiden.

Unsere VUCA-Welt stellt nun einmal besondere Anforderungen:

Volatilität            – flüchtig, sich ständig verändernd
Unsicherheit       – nichts ist mehr sicher, die Berechenbarkeit nimmt ab
Komplexität        – Ebenen, Fakten und Zusammenhänge vermischen sich
Ambiguität          – Mehrdeutigkeit nimmt zu, nichts ist mehr eindeutig

Die Folge ist höherer Stress.

Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt, die ein gleichnamiges Buch über „Resilienz“ geschrieben hat, schreibt darin:

„Trotz großen Wohlstands, geringer körperlicher Belastungen und allerlei technischer Errungenschaften, die das Leben eigentlich leichter machen sollten, fühlen sich die Menschen ständig unter Druck. Hoch sind die Ansprüche an Schnelligkeit, Professionalität und Akkuratesse im Berufsalltag.“

Und da hilft Friedrich Nietzsche alleine nicht mehr weiter:
Was mich nicht umbringt, macht mich stark

Die Frage ist: Wie nehme ich den Stress wahr?
Positiv, als etwas ermunterndes, als Herausforderung, als Antrieb für mehr?
Oder als Bremse, als Problem, als „Hemmschuh“, der am Ende alles lähmt?

Wahre Lebenskunst heißt nicht, das Leid zu verleugnen, die Schmerzgefühle zu unterdrücken. Leiden gehört dazu – oft müssen wir es in einer Art Achterbahnfahrt der Gefühle durchlaufen.
Der entscheidende Unterschied ist:
Menschen mit ausgeprägter Resilienz gelingt dies schneller als dem Rest.
Auch sie leiden in ihrem Leben, sie kommen nur schneller darüber hinweg und verharren nicht an einem Tiefpunkt. Resilient sein heißt also nicht, das Unheil durch eine rosarote Brille zu sehen oder zu verdrängen. Es bedeutet, konstruktiv mit der Situation umgehen zu können.

Aktivität in allen Bereichen ist besser als jede Grübelei

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esiliente Menschen haben die Fähigkeit, sich selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, eine Eigenschaft, die in unserem Leben und immer komplexeren Alltag zunehmend wichtiger wird.
Zu glauben, man habe eben immer nur Pech, lähmt und nährt die wachsende Verzweiflung.

Resiliente Menschen glauben, dass sie ihr Schicksal selbst in der Hand haben. Sie sehen Misserfolge als Zufälle und Erfolge als Ergebnis Ihrer Bemühungen:
 

  • Resiliente Menschen haben ein starkes Selbstwertgefühl. Unabhängig von Erfolgen halten sie sich für einen wertvollen Menschen.
  • Resiliente Menschen haben ein klares Ziel vor Augen und verfolgen dieses.
  • Resiliente Menschen sehen Schwierigkeiten, Krisen und Probleme als Herausforderung.
  • Resiliente Menschen bleiben auch in schwierigen Zeiten realistisch optimistisch.
  • Resiliente Menschen haben einen unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten.
  • Resiliente Menschen sind in der Lage, auch das Negative in ihrem Leben zu akzeptieren.

Psychologische Berater haben viele unterschiedliche Ratgeber verfasst.Im folgenden finden Sie in Kurzform einige ganz einfache, erste Ratschläge zum Erlernen von Resilienz:
Akzeptiere den Wandel als etwas, das zum Leben gehört.
Betrachte Krisen nicht als unüberwindbare Probleme.
Glaube an deine (realistischen) Ziele und dein Können.
Treffe aktiv Entscheidungen und verlasse die Opferrolle.
Sieh die Dinge aus einer langfristigen Perspektive.
Baue soziale Beziehungen auf.
Achte auf dich selbst.
Denke positiv über dich.


All diese Eigenschaften helfen den resilienten Stehauf-Menschen dabei, sich schneller von einem Schicksalsschlag zu erholen und positiv zu bleiben.

J

Jeder Mensch nimmt Situationen anders wahr.
Was für den Einen schon eine echte Hürde ist, nimmt ein anderer ganz entspannt wahr. Jeder Mensch bringt andere Voraussetzungen mit, wenn er mit Krisen konfrontiert wird.

Wie resilient ein Mensch ist, wird also einerseits von seiner Persönlichkeit beeinflusst. Zum anderen ist seine Fähigkeit, an der Leiderfahrung zu wachsen, von großer Bedeutung.
Wer in der Lage ist, aus Schicksalsschlägen etwas zu lernen, wird anschließend gestärkt die nächste Krise meistern können.

Ich habe das gängige Modell der Resilienz nach meinen Überlegungen ergänzt und bin zum Ergebnis gelangt, dass bislang der Körper und seine Möglichkeiten sowie das Zusammenspiel von Körper und Geist samt Emotionen bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.

Ich nenne es das „Lebens-Modell der 10 Stützen“.
Dazu mehr in der nächsten Folge.