Wenn Haltung und Werte baden gehen, säuft jede Kultur ab
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Wir bestimmen unsere Kultur selbst, mit unserer Kommunikation.
In der Politik, in Organisationen, in unserer Gesellschaft.

V

ersprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.“
In Millionen von Kinderzimmern gehört dieser Satz zu den Lebensregeln. Und das ist gut so.
Weil ein gehaltenes Versprechen für Sicherheit sorgt, für Klarheit, für Orientierung.
Wenn ein ganzes System diesen Kern der sozialen Lebenskultur aufgibt, ist das schlimm.
Denn Sicherheit, Klarheit und Orientierung brauchen nicht nur Kinder, sondern alle Menschen.
Es sind elementare Bestandteile des sozialen Miteinanders. Es sind die Leitplanken einer Gesellschaft. Das Fundament des gemeinsamen Handelns.

Es geht um nicht weniger als um unsere Kultur.
Wenn sie verloren geht, gerät das soziale Gefüge in außerordentliche Gefahr. Es kann ins Wanken geraten. Denn ohne Fundament, ohne Leitplanken, ohne Kultur verlieren sich Menschen in Ihren Unsicherheiten, Sorgen und Ängsten.

Scheinbar sind Weitsicht, Klarsicht und Einsicht der Verantwortlichen in Deutschlands Politik-Landschaft weitgehend verloren gegangen, völlig unabhängig von deren politischer Ausrichtung. Die selbsternannten „Volksparteien“ Rot und Schwarz zerlegen sich gerade selbst so gut es eben geht. Beide haben während der Regierungsbildung die Haltung verloren, unsere Werte und damit unsere Kultur ad acta gelegt.
Geht es denn tatsächlich um Kompromisse und um Verantwortung, die „wir aus staatspolitischer Sicht wahrzunehmen haben“, wie die Herrschaften der sogenannten ersten politischen Reihe uns Bürgern in den letzten Tagen, Wochen und Monaten immer wieder glauben machen wollen?

Wie zu Zeiten des Säbelzahntigers

E

s geht um Macht.
Einzig um Macht.
Im Falle der Protagonisten unserer Regierungsbildung um Machterhalt.
Dass Politiker nach der Macht streben liegt in der Natur der Sache.
Es geht darum, WIE sie es tun.
Da spielen auch politische Freundschaften keine Rolle mehr, Herr Schulz bootet Herrn Gabriel knallhart aus. Gabriel schlägt zurück. Auch bei der Wahl der (verbalen) Waffen geht es robust zu, man könnte auch sagen rücksichtslos.
ER oder ICH. Wie zu Zeiten des Säbelzahntigers, ER oder ICH. Dann besser ICH.
Ähnliche Beispiele hat es übrigens in der Vergangenheit politischer Schwergewichtsfreunde schon mehrfach gegeben und immer ging es dabei um den Faktor Macht.
Denken wir nur noch an zwei Beispiele, an das kurzzeitige Triumvirat der Herren Scharping, Lafontaine und Schröder. Was daraus wurde … Geschichte. Oder der inszenierte Abgang von Kurt Beck. Geschichte.
ICH. Wenn das ICH zum Mittelpunkt allen Denkens wird, ist die Gemeinschaft aus dem Kopf.
Das gilt nicht nur für das rote Lager.

Unter der schwarzen Fahne wird der Fokus seit Jahren weg von Inhalten hin zu Personen, Verzeihung, hin zu einer Person verschoben.
Bei der Jamaika-Sondierung, diesem eh recht peinlichen Balkon-Manöver, marschiert die Mannschaft lächelnd hinter der Kanzlerin her. Nach dem Scheitern versammelt sie sich noch immer lächelnd hinter der Kanzlerin, als diese erst der FDP die Leviten liest und dann sich selbst und die Ihren lobt.
Und nun, zum schlechten Schluss, hat sich Frau Merkel auch noch erpressen lassen, so scheint es.
Ministerien wurden verschachert wie Kohlköpfe.
ICH will Kanzlerin bleiben, dafür können WIR uns ruhig fleddern lassen.

Bis hierher taugt die politische Kultur also bestenfalls noch als abschreckendes Beispiel und damit nicht mehr als Vorbild für unsere Kultur.
Und sonst?
Ob Christian Lindner wirklich Haltung hat, oder ob sein Ausstieg aus den Jamaika-Sondierungen letztlich nur Sturheit und damit eher politisches Unvermögen war, muss sich noch zeigen.
Bei Bündnis 90 / Die Grünen sind die Menschen häufig mit sehr guten Gedanken unterwegs, bekommen aber scheinbar die Kurve zum großen Ganzen nach mehr als 30 Jahren noch immer nicht hin. Oft verloren sich hier die Parteigranden bereits im verbalen Clinch untereinander. Und in den Randgebieten weht ein rauher Wind, da geht es oft robust zur Sache, die Suche nach Haltung und Werten scheint dort besonders schwierig.

Kultur lebt von Haltung und Werten, von Vertrauen und Glaubwürdigkeit

S

ind wir also wieder bei Rot und Schwarz, bei den „Volks-Parteien“, die für uns da sein wollen und sollen. Oder muss es eben ab jetzt dann doch heißen, bei den ehemaligen „Volks-Parteien“?
Wie sollen wir Bürger denn Menschen vertrauen, die stets das ICH offenkundig vor das WIR stellen.
Wie sollen wir glauben, dass sie morgen oder übermorgen nicht wieder Ihre Haltung ändern und erneut einen anderen Weg einschlagen? Den zu sich selbst. Welcher der Polit-Protagonisten auch immer.

Haltung und Werte und damit Kultur zeigen sich, wenn dem Gegenwind des Systems standgehalten wird, wenn dem Furor des Neids und der Missgunst entgegengetreten wird. Wenn Macht nicht zum Selbstzweck wird, sondern das Mittel zum Zweck. Auch Gesprächs- und Debattenkultur auf der Politbühne gereichen nur noch selten dem Anspruch einer kultivierten Kommunikation. Und damit ist nicht gemeint, dass es keinen Streit geben darf. Aber ständige Halbwahrheiten, hin und wieder handfeste Lügen, fehlende Wertschätzung und ausbleibender Respekt haben nun eben nicht gerade Vorbildcharakter. Glaubwürdigkeit und Vertrauen lassen sich so nicht entwickeln.

Unsere Kommunikation und damit unsere Kultur lebt von Haltung und Werten, von Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
In der Politik, in Organisationen, in unserer Gesellschaft.
Wenn wir sie aufgeben, geben wir uns selbst auf.

Demnächst hier mehr zum Thema Werte, Haltung und Kultur