Kommunikation „24/7“
Das Internet hat unsere Kommunikation komplett verändert, ja, revolutioniert.

Kommunikation „24/7“

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as Internet hat unsere Kommunikation komplett verändert, ja, revolutioniert.

Aus reinen Sendern und / oder Empfängern von Nachrichten, Briefen oder Telefonaten sind
„24/7online-junkies“ geworden.
Wir twittern und xingen, facebooken und googeln, wir whatsappen, instagrammen und youtuben jederzeit und überall. Texte, Fotos und Videos am laufenden Band und auf allen Kanälen. Es wird publiziert und rezipiert, zu jeder Tages- und Nachtzeit an jedem Ort dieser Welt.
Blogs, Social Networks, Video- und Foto-Portale, Podcasts und Foren, die Möglichkeiten uns mitzuteilen und Leser, Seher und Hörer zu finden sind unbegrenzt.
Und die nächste Generation der Digitalen Content- und Kommunikationswelt ist auch schon „raus aus den Windeln“: Conversational OS, Chatbots, Homeless Media… .
Juchhuu rufen die Einen, Grund zum Jubeln.
Ich chatte, also bin ich.

Obacht rufen die Anderen, zwar ein wenig leiser als die Einen, dennoch vernehmlich.
Lasst uns ein wenig innehalten.
Der Informationsüberfluss droht so Manchen zu überschwemmen.

Business und Privat
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m Business geht es nicht mehr ohne Smartphone und Tablet. Und im Privatleben?
Immer öfter höre ich Sätze wie: „Ich schalte das Ding am Wochenende ganz bewusst aus.“
Oder: „Wenn man doch bloß die Zeit zurückdrehen könnte, dann würden sich Menschen wieder umeinander kümmern.“
Oder: „Wenigstens im Urlaub will ich für niemanden erreichbar sein.“
Da steckt ja eine Menge drin. Und jeder kennt den Aus-Knopf an seinem Gerät und niemand wird zu irgendwas gezwungen. Und dennoch, Gruppenzwänge und Sozialisierung sind nur zwei Stichworte, die wir insgesamt nicht auslassen sollten. Vor allem, wenn es um Kinder und Jugendliche geht.

Reife Pflaume
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eder Gedanke und sei er noch so trivial, ist sofort und überall verfügbar.
Aber gilt es nicht, die reifen, vitaminreichen und süßen Früchte zu ernten, statt ungenießbar Saures.
Natürlich, aber zuviel reife, süße Pflaumen bekommen uns nicht wirklich. Bauchweh ist die Folge.
Gute, reife Pflaumen, einzeln verzehrt oder auch mal drei oder vier, das ist für uns Menschen gesund und bekömmlich.

In vielen Unternehmen gibt es neben dem code of conduct mittlerweile den e-mail-code:
Was hat drinzustehen, wann ist sie sinnvoll, wann lässt man sie besser, wie schreibt man sie.
Regeln, die letztlich nur ein Ziel haben, die e-mail-Flut im Unternehmen einzudämmen und den Umgang damit zu vereinfachen.

Amerikanische Unternehmen ersetzen bereits den Casual-Friday durch den E-Mail-Free-Friday.
Unter dem Beantworten der täglich hunderten E-Mails leidet die Produktivität der Mitarbeiter derart, dass die Unternehmensgewinne zu schrumpfen drohen. „Time to get personal again“, schreiben die Seminaranbieter sogleich in ihren E-Mail-Newslettern.

Wissenschaftler der Stanford Universität in Palo Alto (Kalifornien) haben dazu eine Studie mit 262 Studenten gemacht. Sie berichten im Fachblatt PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences), dass bei heftigem Multitasking die Fähigkeit leidet, unwichtige Einzelheiten aus dem breiten Informationsfluss zu filtern und die entscheidenden Details im Gedächtnis abzuspeichern.
“Wir haben untersucht, was Multitasker besser können und nichts gefunden”, sagt der Mitautor der Studie, Eyal Ophir.

Laut Gesundheitsreport des DAK leidet jeder dritte Büroarbeiter unter der Informationsüberflutung durch zu viele E-Mails. Allein in den USA verplempern Angestellte demnach 28 Milliarden Arbeitsstunden, weil sie sich ständig ablenken lassen. Vor einem Jahr hatte der Autor Nicholas Carr mit einer Titelgeschichte im US-Magazin „The Atlantic“ gefragt: „Macht Google uns dumm?“
Seine These: Die Internetnutzung und das dadurch ermöglichte schnelle Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Texten stört die Konzentrationsfähigkeit erheblich.

E-Mail schlimmer als Joint
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rstaunlich auch das Resultat der mittlerweile oft zitierten Studie von Forschern des Londoner King’s College.

Drei Versuchsgruppen hatten dieselben Aufgaben zu erledigen. Dabei ließen sie eine Gruppe ungestört arbeiten. Eine andere bekam parallel mehrere E-Mails zugesandt. Und die dritte Gruppe rauchte Joints vor der Arbeit.
Wenig überraschend: Die erste Gruppe erreichte die besten Ergebnisse. Sehr überraschend dagegen: Die „Kiffer“ erzielten bessere Ergebnisse als die Teilnehmer, die gleichzeitig mit ihren E-Mails beschäftigt waren.

In der Arbeitswelt setzt sich die Erkenntnis durch, dass ständige Erreichbarkeit den massiven Verlust von Konzentration nach sich zieht (s. e-mail-code).
Das Home-Office wird immer beliebter – und effektiver. Keine Störungen, bessere Arbeitsresultate.
Andere Unternehmen verbieten ihren Mitarbeitern, am Wochenende ihr Office-Smartphone in Betrieb zu haben.
Keine Anrufe, Ruhe für die Synapsen.

Im Netz aber geht´s zu, als gäb´s kein Morgen.
Haltet Kontakt, vernetzt Euch, ladet Euch ein, kontaktiert Euch, schickt Fotos, Videos, schick´ einen link, einen feed, einen tweet.
Im richtigen Leben würde das wohl unter „Belästigung“ laufen.

Kontakt-Tsunami
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nd so werden aus den unendlichen Kontakt-Möglichkeiten des Netzes Vereinsamungsmechanismen im wahren Leben. Reale Vereinsamung durch digitalen Kontakt-Tsunami?
Digitaler Terror vor dem realen Amoklauf?
Von Kindern und Jugendlichen Selbstkontrolle zu verlangen ist schlicht zuviel verlangt.
Was soll oder muss also geschehen?
Alles einfach laufen lassen?

In der Kommunikation hängen Quantität und Qualität in keiner Weise zusammen.
Instagram, Facebook, Twitter, LinkedIn, Xing, youtube, vimeo und alle mail-Programme sorgen im Zweifel für eine oft inhaltsleere und sinnfreie Kontaktflut. Und vergessen wir nicht die Reizüberflutung durch die unendlich vielen digitalen Spielewelten.
Die Folge ist eine reale soziale und emotionale Ebbe.

Nein, ich habe die Apps nicht vergessen. Content an allen Orten und zu jederzeit, wie gehabt.
Wenn Flieger oder Bahn mal wieder Verspätung hatten und die App mir sagt, welches Restaurant noch geöffnet ist, sehr gut. Ja, uralter Klassiker, aber eben gut.
Und jeder entscheidet selbst, was er für Content hält. Jeder hat seine Gründe. Natürlich.

Bruce Springsteen und Räucherstäbchen
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elche Gründe haben eigentlich die Anbieter?
Was machen wir künftig mit dem Datenschutz? Blickt da heute noch jemand durch?
Und wie geht´s mit den nachfolgenden Generationen weiter?
Technologie ist nicht aufzuhalten, wird da sofort reflexartig postuliert.
Sie soll ja auch gar nicht aufgehalten werden, sondern zielführend und vernünftig eingesetzt werden und nicht ausschließlich nach Wirtschaftsinteressen.Ob so etwas möglich ist? Oder ist das ein angestaubter Gedanke?

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer hat den unkontrollierten und unreflektierten Umgang mit digitalen Instrumenten untersucht und aufgezeigt, welche Schäden des kognitiven Apparates und des Sozialverhaltens bei Kindern durch zu frühen und zu häufigen Kontakt mit diesen Geräten auftreten können. Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.
(Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen – 2012)

Was ist zu tun?
Zeitkontingente für die Benutzung der Internet-Plattformen?
Oder direkt Verbote und / oder entsprechende Gesetze?
Google und Yahoo abschalten?
Instagram, Twitter und Facebook abschließen?
Nein, das sicher nicht.

Mehr Bewußtsein.
Face to Face statt Facebook? Wie früher mal wieder bei Bruce Springsteen, Räucherstäbchen und einer Tasse Tee zu zweit auf dem Sofa rumlümmeln. Oder zu zweit spazieren gehen und quatschen?

Das hätte ja ´was Verrücktes, mal ganz ehrlich, bei den 24/7 Möglichkeiten.
So ein Spaziergang an der Fluaue mit einem langen, ausführlichen, womöglich tiefgründigen Gespräch.
Nee, puhhh, wie lange das dauert……. .
Da könnte man doch in der gleichen Zeit …….. .
Könnte man, aber niemals so tiefgründig.
Aufwändig zwar und zeitraubend aus der 24/7 Perspektive, aber eben tiefgründig.

Raus aus der 24/7 Bedeutungslosigkeit wieder zurück zur Ono-to-One Kommunikation?
Immerhin hat perspektivische Kommunikation doch mit situationsangepasster Wortwahl und adressatengerechter Sprache zu tun.
Sprachvirtuosität statt Sprachfetzen.
Schachtelsatz statt LUL und LOL.

Ist es nicht fast schon ein erholsamer Gedanke:
Direkte Kommunikation mit einem Menschen. Augenkontakt, Körpersprache, Stimme und Wortwahl transportieren Inhalte und Emotionen. Der Gegenüber kann reagieren, abwägen, argumentieren, empfinden, reflektieren und antworten. Dialog. Gespräch. Kommunikation mit Perspektive.

Also doch den Stecker rausziehen und alle Plattformen abschalten?
Nein, aber bewusstes Benutzen lernen.
Und vor allem lernen, wie wir es unseren Kindern beibringen können (mehr dazu in Teil 2).
Damit wir nicht vergessen, wie wunderbar ein Gespräch ohne Zeitdruck, dafür aber mit einem guten Freund ist, oder mit einer Freundin, oder mit seinen Kindern, oder …….. .

Digitalisierung gehört in allen Bereichen der Kommunikation zu den aktuellsten und brennendsten Themen dieser Zeit. Daher wird das Thema auch in meinem Blog immer wieder stattfinden.

Demnächst hier: Kommunikation „24/7“ – 2