Kommunikation „24/7“ - 3
Elektronische Smartboards haben in vielen Schulen längst die alte Tafel samt Kreide und Schwamm ersetzt. Teil 3
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Bildung mit oder trotz digitaler Revolution

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lektronische Smartboards haben in vielen Schulen längst die alte Tafel samt Kreide und Schwamm ersetzt. In anderen Schulen wird nur noch gewischt, statt geblättert; das Tablet ersetzt dort weitgehend die Schulbücher und Schreibhefte. Toller Fortschritt, die Technologisierung der Bildungseinrichtungen schreitet voran.
Wieviel Technik wirkt sich positiv aus? Ist jede digitale Weiterentwicklung auch pädagogisch wertvoll für Kinder und Jugendliche? Nur zwei Fragen, die wenn überhaupt, nur sehr leise gestellt werden.

„Verdummungstechnologie“

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bwohl laut Grundgesetz die Länder für die Bildungspolitik verantwortlich sind (ob das gut und richtig ist, ist wieder eine andere Debatte), will der Bund ja nun, eine Gesetzeslücke ausnutzend, fünf Milliarden Euro für den Ausbau der notwendigen Hardware ausgeben.
Breitband für alle Schulen usw.

Die Maßnahme der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sei ein Skandal, meint dagegen der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer. Er nennt es gar eine Verdummungsmaßnahme und sagt:

„Es gibt keinerlei Anhalt – außer dem Wunschdenken – dass das eine Maßnahme ist, die uns weiterbringt. Ich schlage doch in der Medizin auch nicht eine Operationsmethode vor, bei der bislang alle gestorben sind. Bevor nicht die neue Therapie nachweislich besser ist als das Alte, was wir schon haben, würden wir niemals fünf Milliarden für die neue Therapie ausgeben. Genau das schlägt Frau Wanka gerade vor.“

Quelle: Interview Deutschlandradio vom 12.10.2016, Moderation: André Hatting

Sachlich betrachtet ist das Wanka-Projekt wohl in mehrfacher Hinsicht eine „Milchmädchenrechnung“:
5 Mrd. Euro geteilt durch etwa 40.000 Schulen, verteilt über 5 Jahre sind ca. 25.000 Euro pro Schule und Jahr. In einer Studie für die Bertelsmann-Stiftung ist errechnet worden, dass Kosten in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro entstehen würden, wenn jeder Schüler in Deutschland einen Computer zur Verfügung gestellt bekäme. Kosten für Techniker, Software, Lizenzen und Updates sind nicht enthalten. Die müssten dann vermutlich die Länder tragen.

Ökonomisch getriebene Entscheider?

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avon abgesehen, haben die Entscheider je mit Eltern gesprochen, deren Kinder schon während der Schulzeit nicht mehr von den „Maschinen“ lassen können, deren Kinder in den Ferien Tag und Nacht chatten, zocken, „egoshootern“ und sich von youtubern berieseln lassen?
Der Witz von den Stadtkindern, die weder wissen, wie Erde riecht, noch wie eine Kuh aussieht, ist ja leider gar kein Witz.

Haben die Entscheider die steigenden Zahlen von Kindern und Jugendlichen im Auge, die verzweifelt die praxisferne Paukerei an den deutschen Schulen anprangern?
Chemieunterricht ohne Dampf und Bunsenbrenner, Physikunterricht ohne Strom und Biologieunterricht ohne bios, dafür aber mit bios (einmal aus dem Altgriechischen und einmal aus dem IT-Leitfaden).

„Die Übereinstimmung dieses Apronyms mit dem altgriechischen Wort βίος (nach dem lateinischen Alphabet bios, zu Deutsch Leben) ist eine Anspielung darauf, dass einem Computer mit dieser so benannten Software quasi Leben eingehaucht wird.“
Quelle: WIKIPEDIA – BIOS

Einige glauben offenkundig, nur mit bedingungsloser Digitalisierung im „Wettbewerb“ Schritt halten zu können. Da wundert es auch nicht mehr, dass es auch in Schulen oft nur noch um Kennzahlen geht. Wenn beispielsweise den Rektor eines Gymnasiums die Abiturquoten deutlich mehr als pädagogische Konzepte interessieren. Die Folge sind in den Praxen der Schulpsychologen zu sehen, Wartezeiten von Monaten sind da keine Seltenheit.

Bereits in den Kindergärten und Schulen beeinflusst die digitale Revolution massiv die Kommunikation. Auch hier geht alles viel schneller, Beschleunigung in allen Bereichen, wenig Zeit zum Reflektieren und zum Austausch untereinander. In den Schulen sowieso.

Bedingungslose Digitalisierung der einzige Weg?

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a wird nicht nur auf den Touchscreens gewischt, selbiges passiert auch mit etwaigen Zweifeln, die meist vom Tisch gewischt werden. Ist es wirklich so abwegig zu fragen, ob der digitale Fortschritt nicht an der sozialpädagogischen Schwelle ein wenig innehalten sollte?
Innehalten im Sinne von entschleunigen, reflektieren und auswählen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Mir geht es nicht um ganz oder gar nicht.
Kommunikation ist immer eine sozial-kognitiv-emotionale Sache. Daher sollten wir im Bildungsbereich die Digitalisierung nicht frei und zügellos und rein ökonomisch gesteuert laufen lassen, sondern begründete und zielführende digitale Bildung einführen.

Dazu müssten meines Erachtens Pädagogen, Philosophen, Psychologen, Kommunikationswissenschaftler und Andere mit in die Debatte eingebunden werden. Diese müsste zu einer tragfähigen und zielführenden Strategie führen, wie wir mit der Digitalisierung im Bildungssektor künftig umgehen wollen. Stattdessen wird auch bei diesem Thema mit der in der Bildungspolitik üblichen „Flickschusterei“ gearbeitet. Mittlerweile wurschtelt ja nicht nur jedes Bundesland vor sich hin, seit G8/G9 macht ja in einigen Bundesländern jede Schule, was sie will.
Weil sie muss. Weil die Vorgaben fehlen. Weil der Bildungspolitik offenkundig seit Jahrzehnten der Mut für zeitgemäße Reformen fehlt.
Die Skandinavier machen uns das in vielfältiger Weise vor. Sie gehen kreative, neue Wege in den Schulangeboten und damit auch in der Kommunikation der beteiligten Schüler, Lehrer und Eltern.

Demnächst hier mehr zum Thema Digitalisierung im Bildungsektor